Änderungen von Familiennamen in Zendersch

Matrikelauszug

Nicht überall, und im europäischen Raum auch nicht zu allen Zeiten, gibt bzw. gab es die heute so selbstverständlichen Familiennamen. Wohl kannte man Sippennamen schon bei den Germanen, später Beinamen zur besseren Unterscheidung mehrerer Personen mit gleichem Namen oder zu ihrer Auszeichnung, z.B. der englische König Richard, der wegen seines Mutes den Beinamen „Löwenherz“ erhielt. Der Beiname erlosch jeweils mit dem Tode seines Trägers. Im Mittelalter war die Gesellschaft viel übersichtlicher und weniger differenziert als die unsrige, deshalb reichten solche Namensformen aus.

Das änderte sich mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der damit verbundenen zunehmenden Unübersichtlichkeit, etwa im 14./15. Jahrhundert. Von daher ist anzunehmen, dass die Siebenbürger Sachsen, als sie 200 Jahre früher im Karpatenbogen siedelten, keine Familiennamen besaßen.

Über Zeitpunkt und Anlass der Herausbildung von Familiennamen in Siebenbürgen scheint es an gesicherten Erkenntnissen zu mangeln. Auch die 1976 erschienene Arbeit von Fritz Keintzel-Schön bringt zu dieser Frage keine Klarheit. Frühe Belege für heute vorkommende Namen sind sehr selten. Eine der ersten Namenlisten wurde anlässlich der Pfarrerwahl um das Jahr 1400 in Stolzenburg erstellt. Sie enthält rund 100 Familiennamen von Stolzenburger Bürgern (Urkundenbuch Bd. 3. S. 93-95). Nur zwei Familiennamen sind noch früher bezeugt, sie waren in den 1970er Jahren noch am selben Ort gebräuchlich: Petrus Lucae in Deutsch-Tekes 1373, heute Lutze, und Theodoricus Mynnig in Großalisch 1393, heute Menning.

Für meine Fragestellung möchte ich folgende Kategorien unterscheiden:

  • reine Familiennamen,
  • Familiennamen mit Dorfnamen:
    • Dorfnamen, die zu neuen Familiennamen werden,
    • Dorfnamen, die im Laufe der Zeit wieder verschwinden,
  • Necknamen oder Spitznamen, die in der Regel nur für eine Person Gültigkeit haben,
  • Familiennamen, für die lediglich eine andere Schreibweise verwendet wird.

In diesem Zusammenhang geht es mir um solche Familiennamen, die, nachdem sie geändert wurden, für die betreffende Familie nicht mehr gültig sind. Das heißt nicht, dass sie im Dorf verschwunden wären, sie sind bei anderen Familien weiterhin gültig. Aber diese (!) Familie trägt jetzt einen anderen Namen. Hier sind einige Beispiele:

Vollständige Namensänderungen – einige Beispiele:

  • Bell → Kasper (Casper, Caspar)
  • Bell → Rader (Radder, Rhader, Rhoder)
  • Faulweber → Dröden (Dreden)
  • Faulweber → Gärtner
  • Henning → Alischer
  • Konyen → Kutscher (Kotschisch, Kotsis)
  • Weber → Dröden (Dreden)
  • Weber → Lisa (Lies, Liese, Lisen)
  • Weber → Lutsch (Liötsch, Letsch)

Es geht mir auch nicht um die sog. Dorfnamen, die ich grundsätzlich von den Spitznamen unterscheide. Dorfnamen sind z.B.:

  • Bache Kreischer
  • Growen (für Gross)
  • Flischer Kuonyen
  • Wogner Anger (für Ungar)
  • Csákány Kreischer
  • Piter Weber

Aus den genannten Zusatzbezeichnungen ist kein selbstständiger Familienname geworden. Aber auch sie waren notwendig, um die Familien unterscheiden zu können, und haben sich z.T. über viele Jahrzehnte erhalten.

Nun ist jetzt zu klären, warum und wann die Familiennamen vollständig geändert wurden und was die neuen Namen bedeuten bzw. woraus sie abgeleitet sind.

Der wichtigste Grund ist die Häufigkeit des Namens. Schaut man sich allein die Anzahl der Namensträger seit 1665 von Bell (816 in 270 Familien) und Weber (1082 in 366 Familien) an, so wird deutlich: um diese vielen Namensträger voneinander unterscheiden zu können, ist ein Zusatz in Form eines Beinamens oder eben ein Ersatz in Form eines neuen Familiennamens erforderlich.

Ein weiterer Grund ist die Abgrenzung eines Zugewanderten mit dem Namen von Alteingesessenen: Ein Henning kam aus Groß- oder Kleinalisch nach Zendersch – sein Name änderte sich in Alischer.

Ein Zeitpunkt für die Namensänderungen lässt sich nicht angeben. Man muss von einem Zeitraum sprechen: Für die meisten Änderungen in Zendersch gilt Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts.

Hinsichtlich der Bedeutung neuer Familiennamen sind zu nennen

  • Vornamen, die irgendwann in der Familie vorgekommen sind: Anton (Tanch), Mathias (Thies), Blasius (Bloos), Simon (Seimen), Casper (Kasper)
  • Orte, aus denen Zuwanderer stammen: Rode (Rader), Alisch (Alischer)
  • Berufe, die ein Vorfahr ausgeübt hat: Schullehrer (Schuller), Kutscher (<- ung. Kotsis) – dieser hat wohl bei seinem ungarischen Adligen als Kutscher gedient.

Soweit nur bei einem Familiennamen eine Änderung erfolgt, ist es noch relativ einfach, die richtige Zuordnung vorzunehmen. Schwieriger wird es, wenn sich zwei unterschiedliche denselben neuen Namen zulegen, wie bei den folgenden Beispielen:

  • Bell und Weber → Rader
  • Faulweber und Weber → Dröden
  • Faulweber und Orend → Gref
  • Seiler und Weber → Thies

Zum Schluss möchte ich noch zeigen, wie sich eine Namensänderung in einer Familie darstellen kann, bzw. wie ich dies in Genplus wiedergegeben habe:

Bei Bigler Michael sen., geb. 1763, ändert sich der Name anlässlich der Trauung seiner zweiten Tochter Catharina 1812 in Bühler. Sein Sohn Michael, geb. 1804, heißt bei der Taufe selbstverständ­lich noch Bigler. Bei ihm erfolgt die Änderung anlässlich seiner eigenen Trauung 1825.

Für die Umwandlung von Bigler in Bühler habe ich bisher nirgends eine Erklärung gefunden. Dagegen gibt es bei der Änderung von Faulweber in Feinweber eine volkstümliche Deutung: man wollte nicht als „faul“ gelten. Dabei ist der Name Faulweber gar nicht herabsetzend, denn er entstand aus dem Berufsnamen „Wollweber“.

Wie sieht es wohl in anderen Gemeinden aus? Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen.

Dr. Renate Weber

(Vortrag beim 20. Seminar)




Uerschdref

Uerschdrefer-Kah-MEs gibt einen Ort in Luxemburg, in dem man als Siebenbürger Sachse trotz aller Sympathie für das schöne Großherzogtum nur sehr ungerne wohnen möchte. Und das nur des Namens wegen. Der Ort heißt nämlich Uerschdref.

Des Siebenbürgisch-Sächsischen Kundige werden das sofort verstehen, andere mögen sich vielleicht wundern. Zur Aufklärung nur soviel: auch die Luxemburger scheinen sich etwas zu genieren, denn auf Hochdeutsch und Französisch (!) nennen sie das Dorf Arsdorf. Zwei für den Sinn des Namens sehr entscheidende Buchstaben, ‚c‘ und ‚h‘, wurden einfach eliminiert!

Nun ist das eingentlich Interessante an diesem Ortsnamen nicht seine unverblümte Direktheit, sondern die Tatsache, dass er auf Luxemburgisch, wie auf Siebenbürgisch-Sächsisch gleich ausgesprochen und geschrieben wird. Als ob nicht 1772 km und 865 Jahre dazwischen lägen! Nicht nur der besagte Körperteil heißt gleich sondern auch die – wie ich bisher glaubte, nirgendwo sonst vorkommende – Bezeichnung für Dorf mit Buchstabenverdreher, kommt genauso vor. Eine ganze Reihe von siebenbürgisch-sächsischen Ortsnamen haben das dref in sich, von Apesdref über Piterschdref und Rechesdref bis Wuandref.

Was lehrt uns das? Unsere Sprache, so, wie wir sie von kleinauf lernten und in unseren Gemeinschaften sprachen, in jedem Dorf ein bisschen anders und dennoch für alle zu verstehen, sie ist ein wahrer Schatz. In ihr stecken jahrhundertealte Tradition und Geschichte, sie verbindet uns. Auch mit den Luxemburgern – nach so langer Zeit.

 

Siehe auch: Uerschdref auf der luxemburgischen Wikipedia.

 




Noi nu suntem rromi, suntem căldărari!

CaldarariAn der Straße von Mediasch nach Schäßburg stehen kurz vor Pretai (rum. Brateiu) urige Gestalten, wie aus einer anderen Welt und bieten selbstgeschmiedete Schnapsbrennkessel aus Kupfer und andere Sachen feil. Ich wollte meiner Tochter dieses exotische Relikt aus der Heimat ihrer Vorfahren zeigen und hielt an. Meine Frau, wohl wissend, dass das nicht ohne Nervenflattern abgehen würde, blieb im Auto sitzen.

„A cui sunt casele astea mari – wem gehören denn die großen Häuser?“ fragte ich das Oberhaupt und deutete auf die mächtigen Rohbauten auf der anderen Straßenseite, die schon jetzt eine stark orientalische Prägung offenbarten. „Ale noastre – uns gehören sie“ antwortete er mit stolzgeschwellter Stimme. „Da au ţiganii atâţia bani – haben die Zigeuner soviel Geld?“ fragte ich weiter und er klärte mich bereitwillig auf: „d’apoi sigur – aber sicher“, „noi nu suntem săraci – wir sind nicht arm“, „noi avem o meserie, noi nu furăm“ – wir haben einen Beruf, wir stehlen nicht“.

Mir war eingefallen , dass es heutzutage nicht mehr politisch korrekt ist, einen Zigeuner, Zigeuner zu nennen, deshalb fragte ich nach: „da cum vă zice in ziua de azităzi – wie nennt man euch denn heutzutage?“, „Rromi – Roma?“ Er machte mit sehr angewidertem Gesicht eine verächtliche Geste mit der Hand und klärte mich auf: „noi suntem căldărari – wir sind Kesselmacher“. Das leuchtete mir ein. Und er klärte mich weiter auf: „meseria asta o avem de la moşii noştrii, care auf venit din Persia – diesen Beruf haben uns unsere Vorfahren überliefert, die aus Persien kamen“.

Wir machten weiter Smalltalk, bei dem ich lernte, dass die Schnapsbrennkessel reißenden Absatz finden, weil doch jedermann seinen Vorrat an Schnaps nach altem Hausrezept brennen möchte. Nach einem weiteren Exkurs in Antiquitäten – er wollte mir alte Keramikkrüge, die der Sohn auf sein Geheiß in einer großen Plastiktüte herbeiholte, als Typus „ceramică de Nemşa“ verkaufen, der sie nicht waren – dachten wir, dass es nun an der Zeit wäre, ein Erinnerungsfoto zu schießen und weiter des Weges zu fahren. Ich fragte also, ob ein Foto erlaubt wäre. Er bejahte umgehend und die ganze Familie stellte sich in Position, hob das Kinn an, zog den Bauch ein und reckte die Brust heraus.

Nun bin ich ja eigentlich kein totaler Anfänger im Umgang mit „căldărari“. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich etliche Male Gelegenheit, mit „cortorari“ – so nannte man sie damals, denn sie zogen mit Planwagen über die Dörfer – Erfahrung zu sammeln. In diesem Moment jedoch hatte ich fatalerweise eine sehr wichtige Sache vergessen: den Preis muss man vorher aushandeln! Wir machten also die Fotos und ich wollte einen meiner Meinung nach durchaus angemessenen Preis zahlen, da hob die ganze Familie durcheinander an zu skandieren, das sei doch viel zu wenig und was mir denn einfallen würde. Mindestens „o sută de milioane“ sei ein korrekter Preis. Hundert Millionen? Mir legte es sich in die Knie, bis ich realisierte, dass in Rumänien z.T. noch in den Dimensionen der Inflationszeit gerechnet wird; man muss durch eine Million teilen. Der Preis kam mir dennoch reichlich überhöht vor, was ich auch so äußerte. Da legte die Familie noch einen Zahn zu und skandierte noch heftiger „ca sa cumpărăm pâine pentru copii şi nepoţi – um Brot für die Kinder und Enkel zu kaufen“ – offenbar galt das zu Beginn Gesagte „noi avem bani, nu suntem săraci“ jetzt überhaupt nicht mehr. Wie denn heil aus dieser Sache rauskommen? Mir war klar, dass es höchste Zeil war, den Rückzug anzutreten. Ich legte also noch was auf die Fotogebühr drauf, fasste meine völlig eingeschüchterte Tochter an der Hand und wir gingen behenden Schrittes zum Auto und fuhren fort. Im Rückspiegel konnte ich noch sehen, wie sie weiter skandierten „pâine pentru copii şi nepoţi…“ Irgendwie hatte ich allerdings das Gefühl, dass sie sich dabei köstlich amüsierten…