Genealogie der Siebenbürger Sachsen – Entstehung einer Gesamt-Datenbank

Von Jutta Tontsch und Dr. Dietmar Gärtner.

Das hier vorgestellte Projekt erstellt Ortsgenealogien von siebenbürgisch-sächsischen Ortschaften, um sie zu einer Gesamtgenealogie zusammenzuführen.

Genealogie-Dr-Gaertner-1 Die Siebenbürger Sachsen sind eine deutschsprachige Minderheit aus dem Landesteil Siebenbürgen (Transsilvanien) im heutigen Rumänien. Sie leben dort seit ihrer Einwanderung überwiegend aus dem Rhein-Mosel Raum im 12. Jahrhundert, als der ungarische König Geisa II. sie ins Land rief. Im 18. Jahrhundert fand eine zweite große Einwanderungswelle statt, als einerseits evangelische Christen aus Innerösterreich nach Siebenbürgen zwangsumgesiedelt wurden und andererseits weitere Einwanderer aus Südbaden eintrafen. Die Siebenbürger Sachsen sind die älteste noch existierende deutsche Siedlergruppe in Osteuropa.

Die Mehrheit dieser deutschstämmigen Bevölkerung wanderte seit den 1970er Jahren stetig, und nach dem Umbruch in Rumänien im Jahr 1989 in einem großen Schub nach Deutschland aus, so dass zurzeit nur noch ca. 12.000 Siebenbürger Sachsen (von insgesamt ca. 250.000 vor dem 2. Weltkrieg) in ihrer alten Heimat leben. Eine große Anzahl von Aussiedlern aus Siebenbürgen trifft man aber auch in Österreich, in den USA und in Kanada an.

Das Ziel des Projektes „Genealogie der Siebenbürger Sachsen“ ist die Erfassung, die Sicherung und Erhaltung der Daten eben dieser deutschen Bevölkerung Siebenbürgens, um sie einem interessierten Personenkreis (z.B. Familienforschern, Kulturwissenschaftlern, Historikern) sowie wissenschaftlichen Einrichtungen zugänglich zu machen.

Das Konzept

Als erstes werden alle Daten aus den Kirchenmatrikeln und Familienbüchern der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A.B.) in Rumänien, sowie aus Stammbäumen, Ahnentafeln, Ahnenpässen und aus anderen genealogischen Unterlagen pro Ort erfasst. Zum Zweck einer einheitlichen Eingabe werden Richtlinien beachtet, z.B. zu Namen mit Titeln und Zusätzen, Personen- und Familienereignissen, Ortsnamen etc. Als nächstes werden die einzelnen Ortsdateien, welche die Bearbeiter auf ihren persönlichen Computern erstellen, auf einem Server zusammengeführt. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit über das Web darauf zuzugreifen, ihre Daten mit denen der anderen zu vergleichen, Fehler und Doubletten zu finden und die Schnittpunkte zwischen den einzelnen Dateien zu erkennen.

Sobald die Daten einiger benachbarten Ortschaften fast vollständig erfasst sind, werden diese zusammengefügt, die Doubletten verschmolzen und die Ortsbezeichnungen, Quellen u.a. vereinheitlicht. So werden nach und nach immer mehr Ortsgenealogien zusammenkommen, bis letztendlich eine große Datenbank mit Millionen Datensätzen von Siebenbürger Sachsen und deren Nachkommen entsteht.

Software

Die einzelnen Ortsgenealogien werden mit dem Programm Gen_Plus erfasst, das auf dem Rechner jedes einzelnen Mitarbeiters installiert ist. Das Programm verfügt über dezidierte Eingabefelder, Such- und Korrekturmöglichkeiten und ist für die Erfassung der Daten gut geeignet. Es ist allerdings nicht netzwerkfähig, deshalb wird für die Zusammenführung auf einem Server zusätzlich das Programm TNG (The Next Generation of Genealogy Sitebuilding) eingesetzt. TNG hält die Daten in einer Datenbank und generiert bei Abfragen dynamische Webseiten, die über interaktive Elemente sowie mächtige Such- und Recherchemöglichkeiten verfügen. Für diese Software hat sich der IT-Spezialist unseres Projektes, Dr. Dietmar Gärtner, entschieden, nachdem er mehrere Alternativen untersucht hatte.

Genealogie-TNG-1Die Übertragung aus Gen_Plus nach TNG erfolgt im GEDCOM-Austauschformat, das vorher allerdings aufbereitet werden muss, um einige Inkompatibilitäten auszugleichen. Zwischen Gisbert Berwe, dem Autor von Gen_Plus, und Dr. Dietmar Gärtner findet ein ständiger Austausch statt, um einen sauberen und fehlerlosen Datentransfer von einem zum anderen Programm zu gewährleisten.

Bei TNG erfolgt der Zugriff auf die Daten über den Browser. Auf dem eigenen Rechner ist keine zusätzliche Softwareinstallation notwendig. Das Programm unterstützt Stammbäume mit Personen und Familien, hat eine Orts- und Quellenverwaltung und eine Benutzerverwaltung mit ausgefeilter Vergabe von Zugriffsberechtigungen. Daten werden über GEDCOM importiert oder exportiert, es sind mehrere Sprachen einstellbar, es können Statistiken erstellt und die verschiedensten Medien eingebunden werden (Fotos, Videos) u.v.m.

Der jetzige Stand

Zurzeit sind wir noch bei der Erfassung von Ortsgenealogien („Mandanten”) in Gen_Plus, haben aber schon viele als Stammbäume nach TNG hochgeladen und arbeiten daran, nach und nach die Mandanten zu korrigieren und zu vereinheitlichen.

Genealogie-TNG-3Zum jetzigen Zeitpunkt arbeiten ca. 65 ehrenamtliche Mitarbeiter an 80 (von insgesamt ca. 260) siebenbürgischen-sächsischen Ortschaften. Zweimal pro Jahr finden in Bad Kissingen Arbeitsseminare statt, wo Erfahrungen ausgetauscht, Schulungen für Neueinsteiger und Fortgeschrittene organisiert und die Mitarbeiter über den neusten Stand der Arbeit informiert werden.

Die Stammbäume werden unter https://vgss.de/genealogie abgelegt. Zugriff haben nur registrierte Benutzer. Interessierte Familienforscher können sich für die Nutzung registrieren.

Über uns

Das Projekt wurde im Oktober 2008 von Dr. Christian Weiss ins Leben gerufen, damals unter dem Namen „Siebenbürger Genealogie“. Er leitete diese Arbeit bis März 2013, als ein neues Leitungsteam gewählt wurde. Neue Projektleiterin ist Jutta Tontsch. Zur gleichen Zeit wurde auch die Änderung des Projektnamens in „Genealogie der Siebenbürger Sachsen“ beschlossen.

Wir sind auf der ständigen Suche nach neuen Mitarbeitern, die uns bei unserer Arbeit unterstützen. Mitarbeiter am Projekt kann jeder werden, der Interesse an der siebenbürgisch-sächsischen Familienforschung hat und bereit ist, einen Teil seiner Freizeit für diese Arbeit zu investieren. Genealogisches Material zum Erfassen gibt es genug: Viele Heimatortsgemeinschaften haben Zugang zu den jeweiligen Kirchenbüchern oder wissen, wo sie kopiert oder fotografiert werden können; es gibt Ortsfamilien- und Heimatbücher, Ortsmonografien, die man genealogisch „ausschlachten“ könnte, ferner gibt es in der siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim ein umfangreiches genealogisches Archiv mit zahlreichen Ahnenpässen, Familientafeln, Stammbäumen, Familienchroniken usw., in dem man nach Familiennamen oder nach Ortschaften suchen kann.

Neben der Bereitstellung von Quellen gibt es für die Neueinsteiger natürlich auch Hilfe bei der Einarbeitung. Über eine geschlossene Mailingliste, in der sich die Mitarbeiter anmelden können, bleiben diese auch in der Zeit zwischen den Arbeitsseminaren in ständigem Kontakt und Informationsaustausch, so dass der Fortgang und die Einheitlichkeit der Arbeit gewährleistet sind.

Unterstützer

Unsere Arbeit wird vom Haus des Deutschen Ostens und von der Kulturreferentin für Südosteuropa gefördert. Preisnachlässe für Unterkunft und Verpflegung verdanken wir der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen, wo wir unsere regelmäßigen Tagungen abhalten. Diese Unterstützung mildert zwar die materielle Belastung der ehrenamtlichen Teilnehmer, deckt diese aber bei Weitem nicht, so dass wir auch und besonders auf Privatspenden und auf finanzielle Unterstützung von Seiten der siebenbürgischen Heimatortsgemeinschaften angewiesen sind.

Viele kleine Schritte führen zum großen Ziel

Unserem Ziel, der Erstellung einer siebenbürgisch-sächsischen Gesamtdatenbank, die weltweit (natürlich unter Beachtung der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden gesetzlichen Bestimmungen, z.B. des Datenschutzgesetzes) abrufbar ist und die möglichst alle deutschen Siedler aus Siebenbürgen und deren Nachkommen genealogisch erfasst, kommen wir langsam, aber sicher näher. Die interessanten Vorträge während der Arbeitsseminare, die gewinnbringenden Gespräche, der rege und informelle Erfahrungsaustausch, die Gruppenarbeit und nicht zuletzt die positive Einstellung der Projektmitarbeiter führen zu Teilerfolgen, die sich sehen lassen können.

Nach jeder Tagung trennen wir uns mit dem Vorsatz, auch weiterhin das Projekt bekannt zu machen und noch mehr Familienforscher zur Mitarbeit zu begeistern, damit weitere siebenbürgische Orte genealogisch in Angriff genommen werden können, die noch in der Warteschleife stehen.

Und weil jeder Schritt zählt, freuen wir uns über die Bereitschaft des Redaktionsteams, den vorliegenden Beitrag hier zu publizieren und danken ihm für die Chance, unser Projekt einem großen Kreis von Familienforschern vorzustellen.

[Dieses ist ein Abdruck des Artikels, der in der Zeitschrift „Computergenealogie“, Heft 4, 2013 erschienen ist.]