Noi nu suntem rromi, suntem căldărari!

CaldarariAn der Straße von Mediasch nach Schäßburg stehen kurz vor Pretai (rum. Brateiu) urige Gestalten, wie aus einer anderen Welt und bieten selbstgeschmiedete Schnapsbrennkessel aus Kupfer und andere Sachen feil. Ich wollte meiner Tochter dieses exotische Relikt aus der Heimat ihrer Vorfahren zeigen und hielt an. Meine Frau, wohl wissend, dass das nicht ohne Nervenflattern abgehen würde, blieb im Auto sitzen.

„A cui sunt casele astea mari – wem gehören denn die großen Häuser?“ fragte ich das Oberhaupt und deutete auf die mächtigen Rohbauten auf der anderen Straßenseite, die schon jetzt eine stark orientalische Prägung offenbarten. „Ale noastre – uns gehören sie“ antwortete er mit stolzgeschwellter Stimme. „Da au ţiganii atâţia bani – haben die Zigeuner soviel Geld?“ fragte ich weiter und er klärte mich bereitwillig auf: „d’apoi sigur – aber sicher“, „noi nu suntem săraci – wir sind nicht arm“, „noi avem o meserie, noi nu furăm“ – wir haben einen Beruf, wir stehlen nicht“.

Mir war eingefallen , dass es heutzutage nicht mehr politisch korrekt ist, einen Zigeuner, Zigeuner zu nennen, deshalb fragte ich nach: „da cum vă zice in ziua de azităzi – wie nennt man euch denn heutzutage?“, „Rromi – Roma?“ Er machte mit sehr angewidertem Gesicht eine verächtliche Geste mit der Hand und klärte mich auf: „noi suntem căldărari – wir sind Kesselmacher“. Das leuchtete mir ein. Und er klärte mich weiter auf: „meseria asta o avem de la moşii noştrii, care auf venit din Persia – diesen Beruf haben uns unsere Vorfahren überliefert, die aus Persien kamen“.

Wir machten weiter Smalltalk, bei dem ich lernte, dass die Schnapsbrennkessel reißenden Absatz finden, weil doch jedermann seinen Vorrat an Schnaps nach altem Hausrezept brennen möchte. Nach einem weiteren Exkurs in Antiquitäten – er wollte mir alte Keramikkrüge, die der Sohn auf sein Geheiß in einer großen Plastiktüte herbeiholte, als Typus „ceramică de Nemşa“ verkaufen, der sie nicht waren – dachten wir, dass es nun an der Zeit wäre, ein Erinnerungsfoto zu schießen und weiter des Weges zu fahren. Ich fragte also, ob ein Foto erlaubt wäre. Er bejahte umgehend und die ganze Familie stellte sich in Position, hob das Kinn an, zog den Bauch ein und reckte die Brust heraus.

Nun bin ich ja eigentlich kein totaler Anfänger im Umgang mit „căldărari“. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich etliche Male Gelegenheit, mit „cortorari“ – so nannte man sie damals, denn sie zogen mit Planwagen über die Dörfer – Erfahrung zu sammeln. In diesem Moment jedoch hatte ich fatalerweise eine sehr wichtige Sache vergessen: den Preis muss man vorher aushandeln! Wir machten also die Fotos und ich wollte einen meiner Meinung nach durchaus angemessenen Preis zahlen, da hob die ganze Familie durcheinander an zu skandieren, das sei doch viel zu wenig und was mir denn einfallen würde. Mindestens „o sută de milioane“ sei ein korrekter Preis. Hundert Millionen? Mir legte es sich in die Knie, bis ich realisierte, dass in Rumänien z.T. noch in den Dimensionen der Inflationszeit gerechnet wird; man muss durch eine Million teilen. Der Preis kam mir dennoch reichlich überhöht vor, was ich auch so äußerte. Da legte die Familie noch einen Zahn zu und skandierte noch heftiger „ca sa cumpărăm pâine pentru copii şi nepoţi – um Brot für die Kinder und Enkel zu kaufen“ – offenbar galt das zu Beginn Gesagte „noi avem bani, nu suntem săraci“ jetzt überhaupt nicht mehr. Wie denn heil aus dieser Sache rauskommen? Mir war klar, dass es höchste Zeil war, den Rückzug anzutreten. Ich legte also noch was auf die Fotogebühr drauf, fasste meine völlig eingeschüchterte Tochter an der Hand und wir gingen behenden Schrittes zum Auto und fuhren fort. Im Rückspiegel konnte ich noch sehen, wie sie weiter skandierten „pâine pentru copii şi nepoţi…“ Irgendwie hatte ich allerdings das Gefühl, dass sie sich dabei köstlich amüsierten…

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