Genealogie der Siebenbürger Sachsen, eine lebende Datenbank

Regelmäßig berichtet die Siebenbürgische Zeitung über die Projektseminare unter der Schirmherrschaft des Vereins für Genealogie der Siebenbürger Sachsen e.V. (VGSS). Aus dem Schatz wertvoller Informationen, die von den örtlichen Pfarrern und Predigern in Siebenbürgen über Jahrhunderte hinweg gründlich in die Kirchenbücher der Evangelischen Kirche A.B. in Siebenburgen eingepflegt wurden, entstand in diesem Projekt im Laufe mehrerer Jahre eine umfangreiche elektronische Datenbank https://vgss.de/genealogie-datenbank/.
Ein Team begeisterter Familienforscher entziffert schrittweise in emsiger Kleinarbeit die Einträge aus den Kirchenbüchern und macht sie im Internet allen interessierten Nutzern dieser Plattform zugänglich.
Für viele Menschen ist es von großem Interesse, Informationen über ihre Vorfahren zu erfahren, Verwandtschaftsverhältnisse zu anderen Menschen aufzuklären, die eigene Familiengeschichte im Kontext großer historischer Ereignisse zu erkunden oder die wesentlichen Merkmale der Lebensverhältnisse längst verlassener Heimatgebiete wiederzuentdecken.
Das gilt im Besonderen auch für die Siebenbürger Sachsen und deren Nachkommen, egal wohin auf der Welt sie der Hauch der Geschichte im Verlauf der Zeit verstreut hat.
So kommt es, dass inzwischen sogar weltweit Nachkommen siebenbürgischer Auswanderer für ihre Familienforschungen die gesammelten Informationen dieser Plattform nutzen.

Ein aktuelles Beispiel liefert der US-amerikanische Familienforscher Hugo Schwab aus Alpharetta, Georgia, USA, der auf diesem Weg seinen Verwandtschaftsgrad zu dem bekannten siebenbürgisch-sächsischen General Hugo Schwab (1887-1944) aufklären konnte. Dieser war, als hochrangiger Offizier der rumänischen Armee, in den Wirren des Zweiten Weltkriegs am 24. August 1944 in Humuleşti, bei Târgu Neamţ in der Moldau, unter tragischen Umständen ums Leben gekommen. Die Siebenbürgische Zeitung hat in der Folge 14 vom 15. September 2001, Seite 4, über die Enthüllung der Gedenktafel in Humuleşti zu Ehren des Generals berichtet (siehe auch Siebenbürger Zeitung Online vom 8. September 2001, www.siebenbuerger.de/go/436A). Herr Schwab hat seine gesammelten Informationen in einer 16-seitigen Wort- und Bilddokumentation zusammengestellt und an die Siebenbürgische Zeitung geschickt.

Die Dokumentation beschreibt anschaulich den geschichtlichen Hintergrund des beruflichen Werdegangs von General Hugo Schwab anfänglich in der Österreich-Ungarischen Monarchie und danach im Königreich Rumänien. Besonderes Augenmerk wird auf die Kriegshandlungen während des Zweiten Weltkriegs auf der Krim gelegt. Hier spielte General Hugo Schwab eine wesentliche Rolle, bis er auf dem Rückzug vor dem sowjetischen Vormarsch in der Moldau von einer russischen Patrouille gestellt wurde. Der drohenden Verhaftung entzog er sich durch den Freitod.

Eine solche globale Nutzung der Genealogischen Datenbank der Siebenbürger Sachsen wird mit Sicherheit kein Einzelfall bleiben. Die flexiblen Such- und Filterkriterien der Datenbank erlauben vielfältige Auswertungsmöglichkeiten für die Nutzer. Über die hinterlegten Quellenangaben können weitere Verbindungen zu anderen genealogischen Datenbanken, Ortsmonografien usw. nachverfolgt werden, um die Informationen über die Lebenswege von Vorfahren weiter zu vervollständigen.

von Christian Duca

(Dieser Artikel wurde auch in der Siebenbürgischen Zeitung vom 10.07.2023 veröffentlicht.)




Genealogy of the Transylvanian Saxons, a living database

The Siebenbürgische Zeitung regularly reports on the project seminars under the auspices of the Association for Genealogy of the Transylvanian Saxons (VGSS). From the treasure trove of valuable information provided and painstakingly entered into the church records of the Evangelical Church A.B. in Transylvania by local pastors and preachers over centuries, an extensive electronic database https://vgss.de/genealogie-datenbank/ was created in this project over the course of several years.
A team of enthusiastic family researchers is gradually deciphering the entries from the church books in assiduous detail work and making them accessible on the internet to all interested users of this platform.

For many people, it is of great interest to learn information about their ancestors, to clarify relationships to other people, to explore one’s own family history in the context of major historical events or to rediscover the essential features of the living conditions in homelands long since abandoned.
This is especially true for the Transylvanian Saxons and their descendants, no matter where in the world the breath of history has scattered them in the course of time. As a result, even descendants of Transylvanian emigrants worldwide are now using the information collected on this platform for their family research.

A current example is provided by the US-American family researcher Hugo Schwab from Alpharetta, Georgia, USA, who, in this way, was able to determine his degree of relationship to the well-known Transylvanian-Saxon General Hugo Schwab (1887-1944). The latter, a high-ranking officer in the Romanian army, had died under tragic circumstances in the turmoil of the Second World War on August 24th, 1944 in Humuleşti, near Târgu Neamţ in Moldova. The Siebenbürgische Zeitung (SbZ) reported on the unveiling of the memorial plaque in Humuleşti in honour of the General in its 14th issue of September 15th, 2001, page 4 (see also Siebenbürger Zeitung Online of September 8th, 2001, www.siebenbuerger.de/go/436A). Mr. Schwab compiled his collected information in a 16-page word and picture documentation and sent it to the Siebenbürgische Zeitung.

The documentary vividly describes the historical background of General Hugo Schwab’s professional career, initially in the Austro-Hungarian Monarchy and then in the Kingdom of Romania. Special attention is paid to the acts of war during the Second World War in the Crimea. Here, General Hugo Schwab played an essential role until he was confronted by a Russian patrol while retreating from the Soviet advance in Moldova. He evaded the threat of arrest by committing suicide.

Such a global use of the Genealogical Database of the Transylvanian Saxons will certainly not remain an isolated case. The flexible search and filtering criteria of the database allow a range of analysis options for the user. By means of the source references stored in the database, further links to other genealogical databases, local monographs, etc. can be traced in order to further expand the information on the life paths of the ancestors.

by Christian Duca

(This article was also published in the Siebenbürgische Zeitung of July 10th, 2023.)




Änderungen von Familiennamen in Zendersch

Matrikelauszug

Nicht überall, und im europäischen Raum auch nicht zu allen Zeiten, gibt bzw. gab es die heute so selbstverständlichen Familiennamen. Wohl kannte man Sippennamen schon bei den Germanen, später Beinamen zur besseren Unterscheidung mehrerer Personen mit gleichem Namen oder zu ihrer Auszeichnung, z.B. der englische König Richard, der wegen seines Mutes den Beinamen „Löwenherz“ erhielt. Der Beiname erlosch jeweils mit dem Tode seines Trägers. Im Mittelalter war die Gesellschaft viel übersichtlicher und weniger differenziert als die unsrige, deshalb reichten solche Namensformen aus.

Das änderte sich mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der damit verbundenen zunehmenden Unübersichtlichkeit, etwa im 14./15. Jahrhundert. Von daher ist anzunehmen, dass die Siebenbürger Sachsen, als sie 200 Jahre früher im Karpatenbogen siedelten, keine Familiennamen besaßen.

Über Zeitpunkt und Anlass der Herausbildung von Familiennamen in Siebenbürgen scheint es an gesicherten Erkenntnissen zu mangeln. Auch die 1976 erschienene Arbeit von Fritz Keintzel-Schön bringt zu dieser Frage keine Klarheit. Frühe Belege für heute vorkommende Namen sind sehr selten. Eine der ersten Namenlisten wurde anlässlich der Pfarrerwahl um das Jahr 1400 in Stolzenburg erstellt. Sie enthält rund 100 Familiennamen von Stolzenburger Bürgern (Urkundenbuch Bd. 3. S. 93-95). Nur zwei Familiennamen sind noch früher bezeugt, sie waren in den 1970er Jahren noch am selben Ort gebräuchlich: Petrus Lucae in Deutsch-Tekes 1373, heute Lutze, und Theodoricus Mynnig in Großalisch 1393, heute Menning.

Für meine Fragestellung möchte ich folgende Kategorien unterscheiden:

  • reine Familiennamen,
  • Familiennamen mit Dorfnamen:
    • Dorfnamen, die zu neuen Familiennamen werden,
    • Dorfnamen, die im Laufe der Zeit wieder verschwinden,
  • Necknamen oder Spitznamen, die in der Regel nur für eine Person Gültigkeit haben,
  • Familiennamen, für die lediglich eine andere Schreibweise verwendet wird.

In diesem Zusammenhang geht es mir um solche Familiennamen, die, nachdem sie geändert wurden, für die betreffende Familie nicht mehr gültig sind. Das heißt nicht, dass sie im Dorf verschwunden wären, sie sind bei anderen Familien weiterhin gültig. Aber diese (!) Familie trägt jetzt einen anderen Namen. Hier sind einige Beispiele:

Vollständige Namensänderungen – einige Beispiele:

  • Bell → Kasper (Casper, Caspar)
  • Bell → Rader (Radder, Rhader, Rhoder)
  • Faulweber → Dröden (Dreden)
  • Faulweber → Gärtner
  • Henning → Alischer
  • Konyen → Kutscher (Kotschisch, Kotsis)
  • Weber → Dröden (Dreden)
  • Weber → Lisa (Lies, Liese, Lisen)
  • Weber → Lutsch (Liötsch, Letsch)

Es geht mir auch nicht um die sog. Dorfnamen, die ich grundsätzlich von den Spitznamen unterscheide. Dorfnamen sind z.B.:

  • Bache Kreischer
  • Growen (für Gross)
  • Flischer Kuonyen
  • Wogner Anger (für Ungar)
  • Csákány Kreischer
  • Piter Weber

Aus den genannten Zusatzbezeichnungen ist kein selbstständiger Familienname geworden. Aber auch sie waren notwendig, um die Familien unterscheiden zu können, und haben sich z.T. über viele Jahrzehnte erhalten.

Nun ist jetzt zu klären, warum und wann die Familiennamen vollständig geändert wurden und was die neuen Namen bedeuten bzw. woraus sie abgeleitet sind.

Der wichtigste Grund ist die Häufigkeit des Namens. Schaut man sich allein die Anzahl der Namensträger seit 1665 von Bell (816 in 270 Familien) und Weber (1082 in 366 Familien) an, so wird deutlich: um diese vielen Namensträger voneinander unterscheiden zu können, ist ein Zusatz in Form eines Beinamens oder eben ein Ersatz in Form eines neuen Familiennamens erforderlich.

Ein weiterer Grund ist die Abgrenzung eines Zugewanderten mit dem Namen von Alteingesessenen: Ein Henning kam aus Groß- oder Kleinalisch nach Zendersch – sein Name änderte sich in Alischer.

Ein Zeitpunkt für die Namensänderungen lässt sich nicht angeben. Man muss von einem Zeitraum sprechen: Für die meisten Änderungen in Zendersch gilt Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts.

Hinsichtlich der Bedeutung neuer Familiennamen sind zu nennen

  • Vornamen, die irgendwann in der Familie vorgekommen sind: Anton (Tanch), Mathias (Thies), Blasius (Bloos), Simon (Seimen), Casper (Kasper)
  • Orte, aus denen Zuwanderer stammen: Rode (Rader), Alisch (Alischer)
  • Berufe, die ein Vorfahr ausgeübt hat: Schullehrer (Schuller), Kutscher (<- ung. Kotsis) – dieser hat wohl bei seinem ungarischen Adligen als Kutscher gedient.

Soweit nur bei einem Familiennamen eine Änderung erfolgt, ist es noch relativ einfach, die richtige Zuordnung vorzunehmen. Schwieriger wird es, wenn sich zwei unterschiedliche denselben neuen Namen zulegen, wie bei den folgenden Beispielen:

  • Bell und Weber → Rader
  • Faulweber und Weber → Dröden
  • Faulweber und Orend → Gref
  • Seiler und Weber → Thies

Zum Schluss möchte ich noch zeigen, wie sich eine Namensänderung in einer Familie darstellen kann, bzw. wie ich dies in Genplus wiedergegeben habe:

Bei Bigler Michael sen., geb. 1763, ändert sich der Name anlässlich der Trauung seiner zweiten Tochter Catharina 1812 in Bühler. Sein Sohn Michael, geb. 1804, heißt bei der Taufe selbstverständ­lich noch Bigler. Bei ihm erfolgt die Änderung anlässlich seiner eigenen Trauung 1825.

Für die Umwandlung von Bigler in Bühler habe ich bisher nirgends eine Erklärung gefunden. Dagegen gibt es bei der Änderung von Faulweber in Feinweber eine volkstümliche Deutung: man wollte nicht als „faul“ gelten. Dabei ist der Name Faulweber gar nicht herabsetzend, denn er entstand aus dem Berufsnamen „Wollweber“.

Wie sieht es wohl in anderen Gemeinden aus? Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen.

Dr. Renate Weber

(Vortrag beim 20. Seminar)